Dienstag, 15. Dezember 2009

Kapitel 7 - "Abenteuer in Bombay/Mumbai - Teil 2" oder "Wie man in Mumbai die Brückengebühr spart"


Schließlich kommen wir an der "Haji Ali Dargah Moschee" vorbei. Allerdings leider nur in ziemlich weiter Entfernung, so dass wir mehr erahnen als sehen können, dass es sich um ein wunderschönes Bauwerk handelt. Zufahrt ist leider mit Extrakosten verbunden und daher nicht möglich, meint der Fahrer. Dazu kommt – und das ist ein genereller Zustand in Mumbai – das die Gebäude allesamt eher schlecht beleuchtet sind und des Nachts kaum als Fotomotive geeignet sind. Eine knappe Stunde später, sind wir am "Taj Mahal Palace", jenem Hotel indem vor ziemlich exakt einem Jahr, die verheerenden Terroranschläge stattfanden. Abermals haben wir exakt 5 Minuten die der Fahrer warten kann und will, also begeben wir uns zu dem daneben gelegenen „Gateway of India“ dem Wahrzeichen Mumbais. Es ist wesentlich kleiner als ich annahm, im übrigen handelt es sich auch nicht um ein antikes Gebäude, denn es wurde tatsächlich Anfang des 20sten Jahrhunderts erbaut. Schnell noch ein Foto aus meinem Handy – meine Digicam hatte mittlerweile keinen Saft mehr – und weiter ging es.


Kawo vor dem Gateway of India


Nachdem wir zeitlich schon ziemlich knapp waren, wiesen wir den Fahrer an, direkt zum Flughafen zu fahren. Ein bißchen Zeitpuffer hatten wir zwar noch, aber noch ein Unfall oder ähnliches, hätte ein großes Problem bedeutet und ich hatte definitiv nicht vor meinen Rückflug zu verschieben und in Mumbai zu übernachten... Schließlich fuhr der Fahrer eine Tankstelle an. Plötzlich wollte er 500 Rubien von uns. Wir dachten wir hören nicht recht. Wir erklärten nochmals, dass wir alles bereits bezahlt hatten und außerdem praktisch kein Geld mehr bei uns hatten. Er erklärte uns dann mit Händen und Füssen, dass er das Geld zum tanken bräuchte, da er (wie schon der andere Taxifahrer), angeblich keines dabei hätte und wir ja ansonsten auch nicht mehr zum Flughafen zurückkämen... Na großartig... Also gebe ich ihm 300 Rubien und behalte vorsichtshalber 100 Rubien als Reserve. Der Fahrer meint, er würde es am Flughafen zurückzahlen. Das wollten wir auch, denn wir waren durch die permanente Aircondition gesundheitlich etwas angegriffen und wollten uns noch mit Tee zuschütten bevor wir in den Flieger stiegen. Wenig später stieg ein Freund des Taxifahrers zu. Während wir hinten deutsch quatschen, unterhielten sich die beiden Jungs vorne auf Hindi. Dabei lief fast ununterbrochen – mindestens eine Stunde lang - immer ein und dieselbe Hindimusik. Ich mag die Musik zwar für zwischendurch, wenn ich sie aber den ganzen Tag höre - und das ununterbrochen - bin ich irgendwann ein Fall für die Nervenanstalt. Unterwegs begegnen uns abermals zahlreiche Obdachlose Frauen und Kinder, die an unsere Scheiben klopfen und Geld von uns wollen. Ich habe mit Marco eine Grundsatzdiskussion wann man spenden sollte und wann nicht. Das handhabt jeder für sich selbst. Marco spendet ungern an Kinder, weil er meint, dass er dadurch mit verhindert das sie etwas lernen um mit ihrem Wissen später einmal Geld zu verdienen. Ich sehe das grundsätzlich genauso. Ich muss wieder an das kleine Kind am Strand von Agonda denken. Eigentlich ist Mumbai sogar ein Glanzbeispiel für die Kluft zwischen Arm und Reich und den Schattenseiten des Kapitalismus. Auf der einen Seite die Finanzmetropole Mumbai. Man sieht da und dort auch den einen oder anderen Porsche oder Mercedes fahren. Auf der anderen Seite, eine unfassbar große Zahl extrem armer Menschen, die nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben. Nirgendwo auf der Welt, weder in New York noch in Kairo habe ich diesen Unterschied so extrem ausgeprägt gesehen wie in Mumbai. Schließlich kamen wir zu jener Brücke, bei der man als "braver Autofahrer" Gebühr bezahlen musste, um sie zu überqueren. Diese Gebühr war auch in den 200 Rubien enthalten, die wir zuvor zusätzlich bezahlten. Alle Lenker vor uns blieben brav stehen, kurbelten das Fenster herunter und bezahlten einem jungen Burschen der für die „Brückensteuer“ zuständig war den vorgeschriebenen Betrag. Und was macht unser Herr Taxifahrer? Er gibt glatt Vollgas, fährt den jungen Burschen fast über den Haufen und düst durch die Absperrung! Der junge, fast überfahrene Bursche, schlägt noch wütend gegen die Scheiben und auf den Kofferraum unseres Wagens, aber wir waren schon auf und davon. Wir waren fassungslos. Ein 0815 Tourist hätte sich an dieser Stelle wohl gedacht „Na gut, andere Länder, andere Sitten“. Nein, nein. Nicht mit uns. Wir nahmen uns vor, den Vorfall später bei der Polizei am Flughafen anzuzeigen, was wir auch taten. Dann gewannen wir eine weitere Erkenntnis. Als unser Taxifahrer unseren Mitfahrer wenig später kurz aussteigen lies um Zigaretten zu kaufen, überreichte er diesem einen kleinen Geldbetrag. Marco konnte dabei die Geldbörse unseres Fahrers sehen... Sie war prall gefüllt mit Banknoten... Moment mal.. Hatte uns der Knabe nicht zuvor noch erzählt er würde Geld zum tanken benötigen, weil er selber keins hatte?? Wir wurden misstrauisch. Als wir am Flughafen ankamen, konfrontierten wir den Fahrer mit unseren 300 Rubien die wir ja – auch laut seiner Aussage – noch von ihm zurückbekommen sollten. Wie erwartet gibt er sich ahnungslos und außerdem ist er ja angeblich bargeldlos. Wir drohen mit der Polizei, sprechen ihn darauf an das wir sein volles Portmonait gesehen haben. Marco ist da ziemlich korrekt/konkret in seinen Ausführungen. Er lässt den Beiden nichts durchgehen. Schon allein in dem Wissen, dass sie es bei wohl so gut wie jedem Touristen immer und immer wieder genauso machen. Schließlich rückt der Fahrer 80 läppische Rubien heraus und versucht uns damit zu besänftigen. Vielleicht wäre ihm dies bei anderen Passagieren gelungen. Wir jedoch suchen am Flughafen den Airportmanager und bringen den gesamten Fall – einschließlich des lebensgefährlichen Fahrmanövers auf der Brücke – zur Anzeige. Vorsichtshalber haben wir uns zuvor die Wagennummer notiert und die Rechnung der Fahrt aufgehoben. Der Airportmanager wirkte sehr vertrauenerweckend und er nahm uns und die von uns geschilderten Ereignisse durchaus ernst. Mir kam auch so vor, als würde er derartiges nicht zum ersten mal vernehmen.. Was genau für Konsequenzen aus unserer kleinen – aber wie wir meinen - notwendigen Petzerei entstehen und ob überhaupt irgend etwas unternommen wird, wissen wir natürlich nicht. Möglicherweise bekommt der Fahrer von seinem Chef eins auf die Kappe. So positiv meine Eindrücke von Goa waren, so vorwiegend negativ waren sie nun von Mumbai. Trotzdem haben wir diesen kleinen Abenteuertrip natürlich nicht bereut! Schließlich macht man so etwas ja primär deshalb um etwas zu "erleben". Und das haben wir. Und trotz all der Spannung wird mich das nicht daran hindern nächstes Jahr meine Bahnfahrt von Mumbai nach Goa zu unternehmen. Und insgesamt betrachtet, sind die Inder auf jeden Fall ein sehr sympathisches, entgegenkommendes und gastfreundliches Volk.

Fazit: Wer in Goa war, hat fast nichts vom eigentlichen Indien gesehen. Goa ist die Sonnenseite des Lebens, Mumbai (zumindest von meinem Eindruck her) eher die Schattenseite die einen den Begriff „Armut“ neu definieren lässt. Auf meine Erfahrungen bezogen, könnte man nun sagen, dass es hier an jeder Ecke Halsabschneider und Betrüger gibt. Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, dass das Überleben in einer Stadt wie dieser bestimmt alles andere als leicht ist und kleinere Gaunereien – vor allem gegenüber Touristen – wohl völlig normal sind. Fest steht jedenfalls das ich mit Vergnügen zurück kommen werde. Vielleicht auch wieder nächstes Jahr um die selbe Zeit zu den 41sten internationalen Filmfestspielen von Indien. Sei es als Regisseur oder als einfacher Zuseher.

Konkrete Fragen zum Festival, zu Goa, oder zu mir: kawo[at]kaworeland[dot]com