Dienstag, 15. Dezember 2009

Kapitel 1 - "Abflug" oder "Warum sich Marathonlaufen auszahlt"


Hier sind sie also. Die unglaublichen, teils haarsträubenden Abenteuer von Kawo Reland in Indien, anlässlich seiner Einladung zu den 40ten internationalen Filmfestspielen. Lesen lohnt sich! ;-) Ein 10 Minuten Handyvideo mit Hr. Riesenkakerlake, Hr. Seeadler und dem "doofen Hundi" findet man ausserdem hier:
http://www.youtube.com/watch?v=6kptNrQ0F7s


28.11. 4 Uhr früh. Mr. Marylin Manson weckt mich aus dem Bett. Aufstehen. Ab geht’s nach Indien - Endziel "Goa". Eines der letzten verbliebenen Paradiese dieser Erde. Tausend Dank an die "Entertainment Society von Goa" für die Einladung zu den 40th internationalen Filmfestspielen. Ich wollte sowieso schon immer dorthin. Mein letzter Kurzfilm Business as Usual wird gleich am nächsten Nachmittag seine Premiere im Marquinez Palace in Goa/Panaji haben. "Business as Usual" ist ein Film, der zunächst durch unsere Showreelproduktion http://www.demoband.info zustandekam und von JewelLabs Pictures, Viktor Perdula produziert wurde. Eine Weltpremiere auf diesmal ungewohnten Boden. Ich weiß jetzt schon, dass es hart werden wird für mich, denn meine Reise wird aufgrund der sechs stündigen Wartezeit in Bombay/Mumbai insgesamt fast 20 Stunden dauern... Und ich werde wohl bis zum Screening keine Gelegenheit haben zu schlafen.

Zunächst geht’s nach Frankfurt. Doch schon auf dem Weg dort hin das erste Hindernis. Der Abflug nach Frankfurt wird sich um mindestens 70 Minuten verzögern. Mein Blick auf die Uhr beunruhigt mich. Der Haken ist nämlich: Mein Anschlußflug nach Mumbai wurde von den Festivalorganisatoren so gebucht, dass ich gerade mal 90 Minuten Zeit habe von Gate A nach B zu kommen. Inklusive Check in bei Air India... Das wäre durchaus zu schaffen gewesen. Aber in 20 Minuten? Fest stand: Ich MUSSTE die Maschine kriegen, denn in meinem Handgepäck waren die für die Abspielung bei der Premiere nötigen Ersatz-Digi Beta Bänder, zumal das erste per EMS an die Festivalleitung gesendete Band (wir vermuten aufgrund unsachgemäßen Transportes) leicht beschädigt war. Somit hing nun alles davon ab, ob es mir gelingen würde nach meiner Ankunft in Frankfurt um 09.45 meine Maschine um 10.05 zu erreichen. Dank meiner Mutation zu „Superboy-Marathon-Runningman“ bewältigte ich die elendig lange Strecke von Gate A nach B, trotz 8 Kilo Handgebäck und trainingsbedingt verletzten und bandagierten linken Fussgelenks, in exakt 19 Minuten und 44 Sekunden und gelangte – ich schwöre – wirklich in allerletzter Sekunde, zum Air India Schalter, der mich (und auch nur nach nochmaliger Intervention da bereits alles „closed“ war) schließlich an Bord lies. In späterer Folge sollte ich erfahren, dass ausser mir, noch drei weitere Passagiere fehlten. Die waren möglicherweise auch bei der verspäteten Frankfurtmaschine an Bord, haben`s aber wohl nicht mehr geschafft...

Die Boing 777 war rappelvoll, ich hatte dummerweise zwar einen Platz genau in der Mitte der mittleren Reihe, aber das war mir zu dem Zeitpunkt egal. Ich war superhappy, den Flieger gerade noch erreicht zu haben. Schon kurz nach dem hinsetzen, die nächste Überraschung. Diesmal eine positive. Ich sitze ausgerechnet neben meinem Regiekollegen Vitus Zeplichal aus Deutschland. Dessen Film „Alien Zapping – Mozart Balls“ mit Helmut Berger (dem Original Visconti - Berger) sowie Karl Merkatz und Susanne Schäfer, feiert ebenfalls bei den Filmfestspielen von Indien seine Asienpremiere. Der Hinflug war also gerettet, zumal Vitus und ich – trotz des Altersunterschiedes von 25 Jahren – sehr viele gemeinsame Bekannte hatten, was auch auf unsere Studienzeit am Reinhardt Seminar zurückging, wo wir sogar (trotz unseres Altersunterschiedes) ein bis zwei idente Lehrer hatten. (Die mittlerweile verständlicherweise alle tot waren...) Der Flug selbst dauerte knappe neun Stunden, Diskussionen mit Vitus, der ein paar Wochen zuvor mit seinem Film noch in Sao Paulo eingeladen war, sowie die Originalfassung des dreieinhalb Stunden dauernden „Ben Hur“, liesen die Zeit rasch vergehen. Vitus stand nicht so unter Zeitdruck wie ich, da seine Indienpremiere erst ein paar Tage später sein sollte. Somit konnte er nach unserer Landung um 22.30 Uhr Ortszeit bequem in Mumbai übernachten, während ich jedoch noch bis 5 Uhr früh auf meinen Anschlussflug nach Goa warten musste.





Vitus Zeplichal & Kawo Reland
nach der Ankunft in Mumbai.







Der erste Eindruck, den wir beim aussteigen in Bombay/Mumbai hatten: Hier herrscht nicht nur subtropisches Klima, sondern auch die totale Schweinegrippepanik. Ärzte und Schwestern mit Mundschutz warten bereits direkt nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug und begutachten die Passagiere. Dann kommt man zu einer langen Warteschlange, wo alle angekommenen Passagiere angestellt stehen. Man muss durch einen Fieberscanner. Das bedeutet: Überall stehen Kameras, welche die Wärmeausstrahlung der einzelnen Personen erfassen. Am Rand wiederum stehen einzelne ärztliche Mitarbeiter, welche bei übermäßigen Hitzeanzeichen einzelne Personen heraus fischen – so auch eine Frau direkt vor mir. Man muss anschließend nicht nur seine Einreiseerklärung ausfüllen, sondern auch eine Art Gesundheitsformular. Das hat ca. eine ganze Stunde in Anspruch genommen.Als wir dann bei der Gepäckausgabe standen (zur Erklärung: Nach Goa direkt wird nicht durchgecheckt), die nächste – diesmal leider wieder negative Überraschung. Ich mag vielleicht zu „Superboy-Marathon-Runningman“ zwischen Gate A und B mutiert sein. Jedoch nicht mein in Wien eingechecktes Gepäck... Denn es war nicht am Laufband und somit offenbar nicht in der Maschine von Frankfurt nach Mumbai...

Ich war recht erstaunt, dass sich der vollkommen abgefuckte, schilderlose Schalter, irgendwo im hintersten Winkel des Flughafens, tatsächlich als offizielles „Air India“ Servicebüro, genau für Fälle wie meinen, entpuppte.. Ich mache denen dort also das Problem klar (was nicht nur aufgrund des schwer zu verstehenden „indischen Englisches“ sondern auch aufgrund des Sprachfehlers des dortigen Angestellten ein etwas längeres Unterfangen war) und werde sogleich wieder positiv überrascht. Mein Gepäck wird die nächsten Tage direkt nach Goa zum Flughafen geschickt und: Ich erhalte von Air India als Entschädigung für das nicht mitgeschickte Gepäckstück: 3000 Rupien! Geschenkt. Das sind ungefähr 40 Euro. Dann habe ich – nichtsahnend wieviel das eigentlich für indische Standards ist – auch noch zusätzlich noch mal 300 EUR umgetauscht und bewegte mich (aber das sollte ich erst später feststellen) von nun an schwerreich durch`s Land... Ein hilfreicher Flughafenangestellter, sorgt dafür das ich ohne weiterer lästiger Gepäckkontrolle bequem zum zweiten Flughafengebäude für Inlandsdestinationen komme. Ich stecke ihm für die Ersparnis der bürokratischen Hürden 1000 Rupien zu. Aus heutiger Sicht ein Irrsinn meinerseits, aber es sei ihm vergönnt... Als wir mit dem Bus zum zweiten Abfluggebäude gebracht werden, wird mir klar, wie unglaublich groß dieser Flughafen ist. Aber kein Wunder. Mumbai ist die fünftgrößte Metropole der Welt und beherbergt inklusive der Vororte über 21 Millionen Einwohner. Bis 1996 war Mumbai als "Bombay" bekannt (steht heute übrigens noch so auf den Flugtickets), die Umbenennung hatte einen religiösen Hintergrund. Über 90 % der Bevölkerung des Bundesstaates Marahatschi sind Hindus.Ich sollte nach meiner Rückkehr aus Goa noch einmal etwas intensivere Bekanntschaft mit der Stadt selbst machen, aber zu diesem drehbuchreifen Horrortrip komme ich später...Übrigens muss ich an dieser Stelle – und das betrifft sowohl den Flug von Frankfurt nach Mumbai, als auch den Flug von Mumbai nach Goa - der Air India ein Kompliment machen. Ein tolles Service insgesamt an Bord!