Dienstag, 15. Dezember 2009

Kapitel 1 - "Abflug" oder "Warum sich Marathonlaufen auszahlt"


Hier sind sie also. Die unglaublichen, teils haarsträubenden Abenteuer von Kawo Reland in Indien, anlässlich seiner Einladung zu den 40ten internationalen Filmfestspielen. Lesen lohnt sich! ;-) Ein 10 Minuten Handyvideo mit Hr. Riesenkakerlake, Hr. Seeadler und dem "doofen Hundi" findet man ausserdem hier:
http://www.youtube.com/watch?v=6kptNrQ0F7s


28.11. 4 Uhr früh. Mr. Marylin Manson weckt mich aus dem Bett. Aufstehen. Ab geht’s nach Indien - Endziel "Goa". Eines der letzten verbliebenen Paradiese dieser Erde. Tausend Dank an die "Entertainment Society von Goa" für die Einladung zu den 40th internationalen Filmfestspielen. Ich wollte sowieso schon immer dorthin. Mein letzter Kurzfilm Business as Usual wird gleich am nächsten Nachmittag seine Premiere im Marquinez Palace in Goa/Panaji haben. "Business as Usual" ist ein Film, der zunächst durch unsere Showreelproduktion http://www.demoband.info zustandekam und von JewelLabs Pictures, Viktor Perdula produziert wurde. Eine Weltpremiere auf diesmal ungewohnten Boden. Ich weiß jetzt schon, dass es hart werden wird für mich, denn meine Reise wird aufgrund der sechs stündigen Wartezeit in Bombay/Mumbai insgesamt fast 20 Stunden dauern... Und ich werde wohl bis zum Screening keine Gelegenheit haben zu schlafen.

Zunächst geht’s nach Frankfurt. Doch schon auf dem Weg dort hin das erste Hindernis. Der Abflug nach Frankfurt wird sich um mindestens 70 Minuten verzögern. Mein Blick auf die Uhr beunruhigt mich. Der Haken ist nämlich: Mein Anschlußflug nach Mumbai wurde von den Festivalorganisatoren so gebucht, dass ich gerade mal 90 Minuten Zeit habe von Gate A nach B zu kommen. Inklusive Check in bei Air India... Das wäre durchaus zu schaffen gewesen. Aber in 20 Minuten? Fest stand: Ich MUSSTE die Maschine kriegen, denn in meinem Handgepäck waren die für die Abspielung bei der Premiere nötigen Ersatz-Digi Beta Bänder, zumal das erste per EMS an die Festivalleitung gesendete Band (wir vermuten aufgrund unsachgemäßen Transportes) leicht beschädigt war. Somit hing nun alles davon ab, ob es mir gelingen würde nach meiner Ankunft in Frankfurt um 09.45 meine Maschine um 10.05 zu erreichen. Dank meiner Mutation zu „Superboy-Marathon-Runningman“ bewältigte ich die elendig lange Strecke von Gate A nach B, trotz 8 Kilo Handgebäck und trainingsbedingt verletzten und bandagierten linken Fussgelenks, in exakt 19 Minuten und 44 Sekunden und gelangte – ich schwöre – wirklich in allerletzter Sekunde, zum Air India Schalter, der mich (und auch nur nach nochmaliger Intervention da bereits alles „closed“ war) schließlich an Bord lies. In späterer Folge sollte ich erfahren, dass ausser mir, noch drei weitere Passagiere fehlten. Die waren möglicherweise auch bei der verspäteten Frankfurtmaschine an Bord, haben`s aber wohl nicht mehr geschafft...

Die Boing 777 war rappelvoll, ich hatte dummerweise zwar einen Platz genau in der Mitte der mittleren Reihe, aber das war mir zu dem Zeitpunkt egal. Ich war superhappy, den Flieger gerade noch erreicht zu haben. Schon kurz nach dem hinsetzen, die nächste Überraschung. Diesmal eine positive. Ich sitze ausgerechnet neben meinem Regiekollegen Vitus Zeplichal aus Deutschland. Dessen Film „Alien Zapping – Mozart Balls“ mit Helmut Berger (dem Original Visconti - Berger) sowie Karl Merkatz und Susanne Schäfer, feiert ebenfalls bei den Filmfestspielen von Indien seine Asienpremiere. Der Hinflug war also gerettet, zumal Vitus und ich – trotz des Altersunterschiedes von 25 Jahren – sehr viele gemeinsame Bekannte hatten, was auch auf unsere Studienzeit am Reinhardt Seminar zurückging, wo wir sogar (trotz unseres Altersunterschiedes) ein bis zwei idente Lehrer hatten. (Die mittlerweile verständlicherweise alle tot waren...) Der Flug selbst dauerte knappe neun Stunden, Diskussionen mit Vitus, der ein paar Wochen zuvor mit seinem Film noch in Sao Paulo eingeladen war, sowie die Originalfassung des dreieinhalb Stunden dauernden „Ben Hur“, liesen die Zeit rasch vergehen. Vitus stand nicht so unter Zeitdruck wie ich, da seine Indienpremiere erst ein paar Tage später sein sollte. Somit konnte er nach unserer Landung um 22.30 Uhr Ortszeit bequem in Mumbai übernachten, während ich jedoch noch bis 5 Uhr früh auf meinen Anschlussflug nach Goa warten musste.





Vitus Zeplichal & Kawo Reland
nach der Ankunft in Mumbai.







Der erste Eindruck, den wir beim aussteigen in Bombay/Mumbai hatten: Hier herrscht nicht nur subtropisches Klima, sondern auch die totale Schweinegrippepanik. Ärzte und Schwestern mit Mundschutz warten bereits direkt nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug und begutachten die Passagiere. Dann kommt man zu einer langen Warteschlange, wo alle angekommenen Passagiere angestellt stehen. Man muss durch einen Fieberscanner. Das bedeutet: Überall stehen Kameras, welche die Wärmeausstrahlung der einzelnen Personen erfassen. Am Rand wiederum stehen einzelne ärztliche Mitarbeiter, welche bei übermäßigen Hitzeanzeichen einzelne Personen heraus fischen – so auch eine Frau direkt vor mir. Man muss anschließend nicht nur seine Einreiseerklärung ausfüllen, sondern auch eine Art Gesundheitsformular. Das hat ca. eine ganze Stunde in Anspruch genommen.Als wir dann bei der Gepäckausgabe standen (zur Erklärung: Nach Goa direkt wird nicht durchgecheckt), die nächste – diesmal leider wieder negative Überraschung. Ich mag vielleicht zu „Superboy-Marathon-Runningman“ zwischen Gate A und B mutiert sein. Jedoch nicht mein in Wien eingechecktes Gepäck... Denn es war nicht am Laufband und somit offenbar nicht in der Maschine von Frankfurt nach Mumbai...

Ich war recht erstaunt, dass sich der vollkommen abgefuckte, schilderlose Schalter, irgendwo im hintersten Winkel des Flughafens, tatsächlich als offizielles „Air India“ Servicebüro, genau für Fälle wie meinen, entpuppte.. Ich mache denen dort also das Problem klar (was nicht nur aufgrund des schwer zu verstehenden „indischen Englisches“ sondern auch aufgrund des Sprachfehlers des dortigen Angestellten ein etwas längeres Unterfangen war) und werde sogleich wieder positiv überrascht. Mein Gepäck wird die nächsten Tage direkt nach Goa zum Flughafen geschickt und: Ich erhalte von Air India als Entschädigung für das nicht mitgeschickte Gepäckstück: 3000 Rupien! Geschenkt. Das sind ungefähr 40 Euro. Dann habe ich – nichtsahnend wieviel das eigentlich für indische Standards ist – auch noch zusätzlich noch mal 300 EUR umgetauscht und bewegte mich (aber das sollte ich erst später feststellen) von nun an schwerreich durch`s Land... Ein hilfreicher Flughafenangestellter, sorgt dafür das ich ohne weiterer lästiger Gepäckkontrolle bequem zum zweiten Flughafengebäude für Inlandsdestinationen komme. Ich stecke ihm für die Ersparnis der bürokratischen Hürden 1000 Rupien zu. Aus heutiger Sicht ein Irrsinn meinerseits, aber es sei ihm vergönnt... Als wir mit dem Bus zum zweiten Abfluggebäude gebracht werden, wird mir klar, wie unglaublich groß dieser Flughafen ist. Aber kein Wunder. Mumbai ist die fünftgrößte Metropole der Welt und beherbergt inklusive der Vororte über 21 Millionen Einwohner. Bis 1996 war Mumbai als "Bombay" bekannt (steht heute übrigens noch so auf den Flugtickets), die Umbenennung hatte einen religiösen Hintergrund. Über 90 % der Bevölkerung des Bundesstaates Marahatschi sind Hindus.Ich sollte nach meiner Rückkehr aus Goa noch einmal etwas intensivere Bekanntschaft mit der Stadt selbst machen, aber zu diesem drehbuchreifen Horrortrip komme ich später...Übrigens muss ich an dieser Stelle – und das betrifft sowohl den Flug von Frankfurt nach Mumbai, als auch den Flug von Mumbai nach Goa - der Air India ein Kompliment machen. Ein tolles Service insgesamt an Bord!

Kapitel 2 - "Tag der Premiere"


29.11, 06 Uhr morgens. Ich fliege nach Goa in den Sonnenaufgang hinein, unter mir einzelne Inselgruppen. Schon vom Flugzeug aus sehe ich: Das ist eines der letzten verbliebenen Paradiese! Ich erkenne die unberührt wirkenden Sandstrände die sich kilometerlang, fast endlos die Küste entlang ziehen.

Am Flughafen werde ich abgeholt von Bediensteten der Entertainment Society, die mich direkt ins International Center bringen. Zwei Tage darauf, bekomme ich meinen eigenen Fahrer: Dereck. Er wird mir die schönsten Plätze in Goa zeigen. Vorallem Agonda hats mir angetan. Schon auf der Fahrt zum International Center werde ich mit zahlreichen Riesenplakaten konfrontiert, die allesamt das Filmfestival bewerben. Das geht am Flughafen los und hört bis zum International Center nicht mehr auf.




Wohin das Auge blickt: Viel Grün.. Und Urwald. In den Wäldern leben Hanuman-Languren (eine von den Hindis speziell verehrte, seltene Affenart). Und: Leoparden.

Die Landschaft wirkt sofort faszinierend auf mich. Die Menschen sind sehr offen und freundlich, man muss allerdings auch dazu sagen, dass Goa mit dem restlichen Indien eher nicht allzuviel zu tun hat. Goa wurde erst 1962 von Indien anekdiert und ist als der kleinste und gleichzeitig reichste Bundesstaat Indiens bekannt. Das soll natürlich nicht heißen, dass es nicht auch in Goa viel Armut gibt. Die Frage: Was ist „reich“ und „arm“ ist in einem Land wie diesem sowieso reine Definitionssache... Ich hatte fast 25000 Rubien bei mir, damit hätte ich mir Dereck mindestens einen ganzen Monat anstellen können. In Deutschland oder Österreich komme ich damit kaum eine Woche über die Runde.







Mein Fahrer Dereck










Im Hotel bekomme ich einen Bungalow mit Balkon. Ausserdem erhalte ich meinen für mich hinterlegten Festivalpass. Nur mit diesem ist ein Zutritt auf das Festivalgelände möglich.



mein Pass

unsere Hotelanlage

Um 12 Uhr Ortszeit – ich bin nun durchgehend seit fast 28 Stunden auf - setze ich mich in den Festival-Shuttlebus und lasse mich in das sieben Kilometer entfernte Panaji fahren. Dort findet an mehreren Schauplätzen das Festival statt. Im Bus lerne ich Pramod kennen. Ein indischer Regisseur aus Neu Delhi, dessen Dokumentation „3 Chairs“ auch an diesem Tag Premiere hat. Mit Pramod werde ich die nächsten Tage noch viel Zeit verbringen und einiges wissenswertes über Indien und diverse Gepflogenheiten erfahren.















Pramod & Ich


Das Festivalgelände ist mit zahlreichen Securityposten streng gesichert. Offenbar hat man die Anschläge vom Vorjahr in Mumbai noch in all zu guter Erinnerung und will kein unnötiges Risiko eingehen. Abgesehen davon, werden auch zahlreiche Stars aus Bolly- und Hollywood das Festival frequentieren. Ghandi-Darsteller Ben Kingsley ist nur einer davon. Fotoapparate darf man offiziell nicht mit hinein nehmen. Am allerletzten Tag sollte sich dann aber niemand mehr so richtig daran halten. Ausser in die Kinos, da hat man keine Chance was mit rein zu bringen.



Das Marquinez Palace ist nur einer der Austragungsorte, es gibt darüber hinaus noch die Kala Academy, sowie das große Kino neben dem Palace, welches allein schon mindestens 7 Säle fasst, was ich jetzt so in Erinnerung habe. Das Palace selbst fasst 2 Kinosäle, ausserdem 3 eigene Screeningrooms mit jeweils ca. 20 Sitzplätzen, sowie das "Shortfilm Businesscenter" in dem man auf insgesamt 10 PCs die in der Competiton vertretenen Filme ansehen kann. Ich lerne die charmante Blanche Fernandez kennen, die Assistentin der Festivalleiter der Entertainment Society. Sie erkennt mich bereits aus der Entfernung, obwohl wir uns nie begegnet sind. „Hi Kawo, welcome to Goa!“ Ja ich freu mich auch sehr ;-)



Red Carpet - Marquinez Palace


The shortfilm center reception & unser Festivalbus

Insgesamt war ich – trotz meiner extremen Müdigkeit - bis jetzt nur positiv überrascht. Lauter gut gelaunte, fröhliche, kreative Menschen und das bei bestem Wetter. Wunderbar. Aber wie gesagt: Das war Goas Seite, die nicht unbedingt ident ist mit den harten Seiten einer Großstadt wie Mumbai zu der ich noch komme..

Ich sehe mir den Saal an, in dem unsere Premiere stattfinden wird. Der Saal selbst ist wirklich supergenial, gar nicht mal klein die Leinwand und spitzenmäßiger Sound. Einziger Haken: Es gibt nur 100 Sitzplätze. Das ist nicht grade bombastisch, allerdings finden auf einem Festival dieser Größe dermaßen viel Programme parallel statt, dass man schon froh sein kann, wenn man mit einem deutschsprachigen Kurzfilm einen Saal mit 100 Sitzplätzen füllen kann. Was letztendlich nicht ganz, aber fast der Fall war.

Jetzt brauchte ich nur noch zu hoffen, dass die neuen Bänder in Ordnung waren, keine Drops oder Aussetzer hatten. Sie waren in Ordnung! 22 Minuten knallharte Businessfrau mit recht eigensinnigen Methoden der Mitarbeitermotivation haben alle Anwesenden sehr beeindruckt. Echo ausschließlich positiv. Aber ehrlich gesagt habe ich das nach den bereits erfolgten positiven Testscreenings auch so erwartet. Im übrigen behandelt mein Film auch ein Thema mit globaler Relevanz. Und „unakzeptable Arbeitsbedingungen“ sowie die "Verantwortung von Managern und Bankern in Zeiten der Wirtschaftskrise" sind auch an Indien nicht spurlos vorübergegangen.

An diesem Tag sehe ich mir noch einige andere Kurzfilme der international Competiton an, einfach um abschätzen zu können, wie groß denn die Gewinnchancen auf eine der drei Trophäen eigentlich sind. Insgesamt ist das Niveau – wie nicht anders zu erwarten – ausserordentlich hoch, auch ein Kurzfilm-Oscarpreisträger ist dabei.

Abgesehen von meinem eigenen Film sind meine persönlichen Favorits: „Just a Pitch“ von Eric Raynaud (mit dem ich in späterer Folge noch um die Häuser ziehen sollte), sowie die indische Produktion „When this man dies“. Und: „Kelkkunnundo“ ebenfalls aus Indien. Eine Geschichte über ein blindes Mädchen. Schnell wird klar: Technische oder künstlerische Arbeit gegenüberzustellen macht kaum Sinn, da die Filme schlichtweg alle sehr gut sind. Hier entscheiden also – wie immer auf diesem Level – ausschließlich inhaltliche Aspekte und wie und ob man eben den Nerv der Jury trifft.

Ursprünglich hatte ich ja eigentlich den österreichischen Produzenten und Regisseur Curt Faudon in der Jury erwartet, dem scheint aber offenbar leider etwas dazwischengekommen zu sein. Schade, ich hätt mich gerne mit ihm über Universum & Co unterhalten.. In der Jury fanden sich somit der indische Kameramann Shaji Karun, die deutsche Schauspielerin und Produzentin Marina Anna Eich, der finnische Festivalleiter des Tampere Festivals Juhani Alanen, der ebenfalls aus Deutschland stammende Filmkritiker Michael Orth, sowie Philip Cheah, welcher auch Jurymitglied des Filmfestivals in Locarno ist. Summasummarum also eine bunte, interessante Mischung und bei 20 so vielfältigen Filmen, wird es wohl bestimmt nicht einfach sein, hier eine gerechte Entscheidung zu fällen.

Das Abendprogramm lasse ich ausfallen, um 17 Uhr begebe ich mich ins Bett und schlafe mehr oder weniger durch. Bis zum nächsten Morgen. Nur die etwas zu laute Klimaanlage stört gelegentlich...




Kapitel 3 - "Hundis" oder "Die grauenhafte Begegnung mit Mr. Riesenkakerlake"


Als ich aufwache ist es 09 Uhr vormittags Ortszeit, also 04.30h mitteleuropäischer Zeit. Es hat 28 Grad. Was mir allmählich auffällt sind die vielen streunenden Hunde. Ehrlich gesagt haben mich die Viecherln am Anfang etwas beunruhigt, aber allmählich stelle ich fest: Die sind allesamt total harmlos. Sogar irgendwie lieb. Ein paar Tage später mache ich am Strand von Agonda Bekanntschaft mit dem „doofen Hundi“. Ich hab ihn so genannt und auch fotografiert. (Siehe auch mein Video) Die Tiere sind sehr zutraulich, angreifen sollte man sie aber vorsichtshalber eher nicht...




Heute sehe ich mir weitere Filme der international Competition an, dann werde ich einen Abstecher ins Zentrum von Panaji machen und einkaufen gehen. Und damit meine ich nicht nur die leckeren (viel süsser als bei uns schmeckenden) Bananen, sondern auch genau das, was mir aufgrund meines nicht mitgeschickten Gepäckstückes nun an Klamotten und sonstigem Zeug fehlt. Schnell wird mir klar: Es wird schwierig werden die ganze Kohle auszugeben, denn das alles kostet praktisch nichts... Ich kaufe Schuhe, mehrere Shirts, Hemden, lass mich von einem Strassenhändler beim Kauf eines Kaschmirschals über den Tisch ziehen (und das obwohl ich mich noch von meinen Orientreisen durchaus als "Handelserfahren" einstufen würde), gebe darüber hinaus massigst Trinkgeld, spende Geld an Obdachlose und trotzdem werd ich nicht ärmer... Allmählich beginne ich zu verstehen, warum bis in die 90er Jahre sehr viele Europäer nach Goa ausgewandert sind...



Auch in Panaji selbst gibt es viel Grün und eigene Parkanlagen.


Ausserdem gibt es extrem viele Motorräder...


Und sehr schöne Sonnenuntergänge...

„Meet the Jury“ heißt dann schließlich und endlich der letzte Programmpunkt des Tages, bei welchem sich die Festivaljury der beiden Competitions dem Publikum vorstellt. Auf die Frage einer indischen Journalistin an das Festivalerfahrene Jurymitglied Michael Orth, welche Wertung er dem Festival bei einer Punktescala von 1-10 geben würde, antwortet dieser mit: „Acht“. Na perfekt. Ein Haufen guter Filme und das bei 30 Grad. Wer braucht da schon die Viennale? ;-)

Nächster Tag:

Heute bekomme ich mein nachgeschicktes Gepäck von Goas Airport. Hurra.
Dereck bringt mich anschließend nach Baga an den Strand. Baga ist mehr eine Art Touristenhofburg, also nicht so ganz meins, jedoch natürlich bei weitem nicht so überladen wie die Strände in Mallorca, oder ähnlich billiger Dreck. Insgesamt ist der Strand sauber, das Wasser superwarm (ich schätze 28 Grad). Eine Kuhherde wird über den Strand getrieben. Siehe Foto. Alles sehr nett. Doch Agonda sollte all das noch bei weitem in den Schatten stellen...





Ich

Später bin ich wieder in Panaji und werde von einem Fernsehteam angesprochen für ein Interview. Sie berichten... Na dreimal dürft ihr raten worüber... Der junge Journalist strahlt über beide Ohren als ich ihm erzähle das ich aus Austria komme. Dem Land, in dem gelegentlich sogar der eine oder andere Bollywoodfilm gedreht wird. Er freut sich den Haxen aus. Ich mache fest Werbung fürs Festival, für meinen Film, für mein Team und natürlich für Österreich selbst. Ich schick der Österreichwerbung demnächst die Rechnung...

Als ich am Abend heimkomme, habe ich einen neuen, ungebetenen Gast in meinem Bungalow... Mr Riesenkakerlake hat sich eingenistet bzw läuft mitten durch den Raum als ich diesen betrete. Als ich den großen Plastik-Mülleimer über ihn drüberstülpen will, ergreift er rasant die Flucht ins Badezimmer und verschwindet ausgerechnet genau hinter der WC Schüssel... Ich komm nicht ran an ihn... Spitzenmäßig. Na kein Problem. Machen Sie sichs ruhig bequem Mr Kakerlake. Man sieht sich dann morgen...

Kapitel 4 - "Tag der Preisverleihung"


Heute ist Tag der Preisverleihung. Lustigerweise bin ich nicht der einzige dem es eigentlich vollkommen powidl ist, ob er einen Preis bekommt oder nicht. Mittlerweile habe ich einen Haufen Regiekollegen kennengelernt und für uns alle zählt eigentlich mehr die Tatsache, dass wir hier eine tolle Zeit verbringen. Die mit Abstand weiteste Anreise hatte Carlos Andres Vera aus Equador. Mit seiner Edgar Allan Poe Verfilmung von „The Facts in the case of Mr. Valdemar“ ist er mit seinem relativ aufwändigem, psychotischen Kostümfilm ein durchaus ernst zunehmender Konkurrent für mich. Und umgekehrt ich für ihn, wie er selbst meint.. Aber das ist uns wie gesagt eigentlich egal. 36 Stunden später, sollten wir zusammen in Mumbai ein haarsträubendes Taxi-Abenteuer erleben. Ich setze mich mit Carlos und meinem Regiekollegen Marco Wiersch aus Köln auf die für uns reservierten Plätze im großen Auditorium. Viel Presse, die Festivalorganisatoren, allen voran Manoj Srivastava halten ihre Reden. Lange Rede kurzer Sinn: Ich lag mit zwei Tipps goldrichtig. „Just a Pitch“ von Eric Raynaud gewinnt den dritten Preis, der erste geht an „Kelkkunnundo“, die indische Produktion über das blinde Mädchen. Beides verdient wie ich meine. Der zweite Preis geht übrigens ebenfalls an einen indischen Regisseur. Für die Dokumentation "Wagah". Der Oscarfilm geht ebenso leer aus, wie sämtliche deutschsprachige Produktionen (die ja verhältnismäßig zahlreich vertreten waren) so wie auch mein dritter favorisierter Film „When this man dies“. Es muss unglaublich schwer gewesen sein, als Jury diese Entscheidung zu treffen, zumal es ja auch keine Einschränkungen/Begrenzungen hinsichtlich der Genres, des Inhaltes oder der Längen gab. Fest steht: Hier war die Spitze vertreten und es war mal ein Festival, bei dem man sich nicht für seine Konkurrenzfilme und auch nicht für die Gewinner genieren musste..

Erster Preis für Geetu Mohan - "Kelkkunnundo"

Dritter Platz für Eric Raynaund - "Just a Pitch"

Links: Carlos Andres Vera (keine Angst er sieht nicht immer so aus)
Rechts: Marco Wiersch aus Köln

Presse
Jurymitglieder

Am Abend ziehe ich noch mit dem Gewinner des dritten Preises, Eric Raynaud, sowie Marco Wiersch, der finnischen Schauspielerin Amira Khalifa und einem meiner Screeningzuseher durch die Gegend. Wir landen schließlich am Pool von Amiras Hotel und philosophieren über Film, sowie Gott und die Welt. Später kommt noch Jurymember Michael Orth hinzu.


Eric & Marco

Sweet Amira :-)

Marco
Ich & Amira

Um kurz nach ein Uhr früh mache ich aber einen knallharten Break. Denn ich will morgen zeitig kurz nach acht nach Agonda. Einem der besten Strände Goas. In nüchternem Zustand... Deshalb: Break & Heimfahrt. Marco schließt sich an.

Kapitel 5 - "Agonda"


8 Uhr morgens. Dereck holt mich ab. Es geht Richtung Süden. Ich will gar nicht zuviel Worte verlieren. Ein teilweise (so gut wie) unberührtes Stück Natur. Seeadler fliegen durch die Luft, genauso wie Schmetterlinge (ich wusste bislang nicht, dass man die auch am Strand antrifft). Ich lerne das "doofe Hundi" kennen. Es ist sehr zutraulich, aber kennt letztendlich doch seine Grenzen. Schließlich legt es sich neben mich. Na seht selbst:

Ich
Das doofe Hundi


Nochmal Ich
Hr. Seeadler

Später kommt ein ca fünfjähriges Kind auf mich zu. Sie lächelt lieb, total süß die Kleine. Sie spricht nicht, zeigt mit ihren Fingern auf ihren Mund und deutet an, dass sie nicht sprechen kann. Sie zeigt mir ein Papier. Angeblich staatlich beglaubigt sammelt sie Geld für ihre Operation. Natürlich weiß ich: Das kann stimmen oder auch nicht. Aber eines stelle ich fest. Die Kleine ist gut drauf und sehr fröhlich. Keine Anzeichen dafür, dass sie von ihren Eltern in irgendeiner Form gezwungen wird Geld zu erbetteln. Und selbst wenn die ganze Geschichte nicht stimmen sollte: Sie wäre ne hervorragende Schauspielerin... Also gebe ich ihr 500 Rubien. Sie freut sich tierisch darüber. Total süss. Später begegnet sie mir noch ein paar mal am Strand und winkt mir aus der Ferne zu. In späterer Folge, habe ich während meinem Mumbaitrip mit Marco Wiersch eine kurze interessante Diskussion darüber wie er die Sache mit den Spenden sieht. Dazu später..

Kapitel 6 - "Abenteuer in Bombay/Mumbai" oder "Von Trickbetrügern, Autounfällen und anderen haarsträubenden Ereignissen.."


Mein Flug nach Bombay/Mumbai: Ich treffe Carlos und Marco am Flughafen. Wir beschließen, unsere acht stündige Pause bis zu unserem Weiterflug nach Frankfurt für eine kleine Mumbairundfahrt zu nutzen... Marco hat ja schon einiges an Indienerfahrung gesammelt und vor 5 Jahren auch bereits Mumbai erkundet. Carlos und ich hingegen waren Greenhorns auf dem Gebiet. Pramod sitzt in der selben Maschine wie wir, er gibt uns ein paar Tips was wir uns ansehen sollten. Dazu zählte unter anderem das Taj Mahal Palace, dass daneben gelegene Gateway of India, der Shri Siddhivinayak Tempel sowie die Haji Ali Dargah Moschee. Schon der Anflug auf die Stadt ist spektakulär... Man überquert zuerst einige bergige Felslandschaften von denen die Stadt umgeben ist. Und dann sieht man sie. Die Slums von Mumbai. Eine unfassbare, ich würde sagen wahrscheinlich sogar in die Millionen gehende Zahl von dicht aneinandergereihten einfachsten Slumhütten, die sich über eine Flugstrecke von mindestens 6-8 Minuten hindurchzieht. Wo man hinblickt: Ein Meer von Slumhütten. Und praktisch kein freier Flecken Erde. Das ganze bis direkt vor die Tore des Flughafens. Mumbai zählt mit 21,3 Millionen Einwohnern (inkl. der Vororte) zu den dichtest besiedeltsten Städten der Welt. Das dies die Finanzmetropole von Indien sein soll, vermag ich nach diesem spektakulären Bild das sich mir hier bot, irgendwie kaum mehr zu glauben.

Am Flughafen holen wir unser Gepäck vom Band, wir müssen dann für den Weiterflug noch mal komplett neu einchecken. Doch die acht Stunden die wir nun Zeit hatten, wollten wir Mumbai erkunden. Pramod will uns helfen einen Taxifahrer zu finden, der sich zu einem erschwinglichen Preis drei bis vier Stunden Zeit nimmt... Ein bulliger Typ spricht uns an. Pramod spricht mit ihm auf indisch. Er beschreibt ihm was wir sehen wollen und fragt ihn ob er so etwas wie eine "Rundfahrt" anbietet. Der bullige Typ bejaht. Wir gehen mit ihm nach draußen. Dann gibt es plötzlich mit Pramod eine hektische Diskussion über den Preis. Pramod sagt uns das wir bloß nicht mehr als 1200 Rubien zahlen sollen. Er lässt den bulligen Typen links liegen als dieser 1800 von ihm haben will. Wir verstehen nur Bahnhof, ahnen aber das es wohl um den Preis geht. Wir folgen Pramod in Richtung der nächsten Taxivermittler. Der bullige Typ folgt uns. Er lässt nicht locker. Pramod spricht einen anderen jungen Taxifahrer an. Schließlich handelt ihn Pramod auf 1000 Rubien runter. Dann stellt sich plötzlich heraus, dass dieser junge Taxifahrer jedoch zu genau dieser Taxiunternehmerclique von dem bulligen Typen gehört... Verwirrung... Zunächst sieht es so aus, als würden wir nun für 1000 Rubien bei dem jungen Taxifahrer mitfahren. Dann werden Carlos, Marco und ich jedoch in das Taxi eines anderen bulligen Fahrers verfrachtet – ein Sikhs (erkennt man am Turban) und der bullige Typ von vorhin steigt zu... Alles irgendwie sehr merkwürdig... „Give me, give me!“ sagt der bullige Typ und deutet, das er die 1000 Rubien im vorhinein will. Und jetzt beginnt das Kasperltheater, welches ich der Einfachheit halber, in einer hier wesentlich verkürzten Form wiedergebe...Carlos und ich geben ihm jeweils 500 Rubien – also insgesamt 1000, den ursprünglich vereinbarten Preis. Der bullige Typ nimmt die Scheine an sich, kommt plötzlich jedoch wieder damit hervor und zeigt uns zwei 50er Scheine. Er behauptet, wir hätten ihm beide, irrtümlich zwei 50er Noten in die Hand gedrückt. Bis dahin hätten wir das ja vielleicht gerade noch so abgekauft. Denn die 50er und 500er Rubiennoten sehen sich wirklich zum verwechseln ähnlich, wenn man nicht wirklich permanent damit zu tun hat. Und auf allen Banknoten ist ein und dasselbe Konterfeit abgebildet: Nämlich jenes von Gandhi. Carlos händigt ihm also nochmals 500 Rubien aus. Ich sehe das mit meinen eigenen Augen. Irrtum diesmal ausgeschlossen. Und abermals tut der bullige Typ so, als hätte Carlos ihm nur einen 50er gegeben. Er näht sich den 500er Schein ein und präsentiert die falsche Banknote... Spätestens jetzt war klar: Wir sind gerade in Begriff einer Trickbetrügerbande auf den Leim zu gehen. Wir fahren durch irgendwelche finstere Hinterhofgassen von Mumbai und werden grandios abgezockt. Aber nicht mit uns. Wir geben dem bulligen Typen ziemlich direkt zu verstehen das wir ihn für ein „fucking Trick-Magican-Ashole“ (Original-Zitat Carlos) halten und wollen sofort unsere Kohle wieder retour und ausserdem zurück zum Flughafen gebracht werden. Ich setze meinen Psychopathenblick auf. (Diejenigen die ihn kennen, wissen was das heißt - Fotobeispiel folgt) Wir wissen genau, dass der Knabe uns bescheissen wollte, trotzdem macht er jetzt einen auf Unschuldsengel und behauptet, er hätte lediglich das Geld „wechseln wollen“. Zum schiessen komisch. Eine kleine Drohung mit der Polizei, Psychopathenblick und wiederholte Aufforderung diesen Bullshit zu lassen und schwuppdiwupp: Schließlich gibt er meine 500 retour. Marco, fertig studierter Psychologe, hilft dem bulligen Typen sein Gesicht zu bewahren, indem er dessen Geschichte mit dem „Geldwechseln wollen“ scheinbaren Glauben schenkt. Für die beiden 50er Scheine die uns der Typ anstatt unserer 500er Scheine gegeben hat, gibt er ihm nun einen 100 Rubien Schein. Sehr clever. Wir machen gute Miene zum bösen Spiel und kehren zum Flughafen retour. Noch ein letztes „Fucking Ashole“ von Carlos und schon waren wir die Bande wieder los. Da Marco und ich uns von diesem kleinen Reinfall aber natürlich nicht von unserem Trip abhalten lassen wollten, starteten wir auf eigenes Verhandlungsgeschick einen neuen Versuch. Diesmal ohne Pramods Hilfe, der war bereits auf dem Weg nach Neu Delhi. Carlos hatte allerdings die Nase gestrichen voll, er meinte ihn würden keine 10 Pferde mehr in eines dieser Taxis bekommen. Ganz abgesehen davon, dass die meisten der Karren in einem Zustand waren, dass ein TÜV Sachverständiger wohl einen schweren Herzinfarkt bekommen würde, wenn er so etwas zu Gesicht bekäme. Während Carlos es also vorzog die nächsten sieben Stunden am Flughafen zu verweilen (der Ärmste hatte einen 18 Stunden Flug nach New York vor sich), quatschten Marco und ich einen weiteren Taxivermittler an und einigten uns schließlich auf den Preis von 1500.- Rubien. Was meiner Ansicht nach natürlich noch immer reinste Abzocke war, aber gerade mal so noch im akzeptablen Bereich. Hauptsache kein Beschiss mehr...

Wir verfrachten also abermals unser großes Gepäck in den Kofferraum und steigen zu. Nach ca. 5 Minuten, hält der Fahrer vor der Taxizentrale seines Unternehmens und wir lernen den Chef deselbigen kennen. Er will 1500.- + 200.- für Brückengebühren die wir berappen müssten wenn wir die von uns angegebenen Ziele (Gateway India, Haji Ali Dargah Moschee) sehen wollten. Na toll.. Jetzt waren wir erst wieder fast auf dem ursprünglichen Preis und wir wissen natürlich, dass es auch dabei nicht bleiben wird... Also bezahlen wir 700 als Anzahlung (zuerst wollte er 1000 aber wir haben nicht eingewilligt aufgrund unseres lustigen Erlebnisses) und los geht die Reise in Richtung Zentrum Mumbai. Erster Eindruck: Extrem schlechte Luft – meine Bronchien reagieren beleidigt – auf den Straßen unglaublich viel Dreck und Armut. Leute pissen und spucken auf die Straßen. An so gut wie jeder Häusernische „leben“ obdachlose Menschen die bis auf die Knochen abgemagert sind. Manche von ihnen klopfen während unserer Fahrt immer wieder an unsere Scheiben und deuten das sie etwas zu essen wollen. Von mehreren Seiten wurde empfohlen die Türen und Fenster geschlossen zu halten. Zu hohes Infektionsrisiko ist nur ein Grund. In Goa habe ich mehrmals den Leuten auf der Straße etwas gespendet. Das hier aber hat eine neue Dimension..

Nachdem ich unserem Fahrer die restlichen 1000 Rubien vorzeitig aushändigte, da dieser tanken musste und angeblich kein Geld bei sich hatte, kommen wir schließlich zu unserem ersten Besichtigungsziel. Dem Hinditempel "Shri Siddhivinayak". Ursprünglich hatte ich vor, ihn nur von außen anzusehen, doch Marco – bereits „Mumbaierfahren“ – überredet mich mit hineinzugehen. Der Taxifahrer will Geld fürs parken weil er meint, dies kostet extra. Schließlich können wir ihn dazu überreden an einer Stelle stehenzubleiben an der er fünf Minuten "gebührenfrei" auf uns warten kann. Er deutet nochmal mit den Händen „5 Minuten, nicht mehr!“ Wir steigen also aus und werden plötzlich von einem jungen Typen angequatscht der uns fragt ob wir in den Tempel wollen. Wir bejahen. Er führt uns zu einem Stand. Lustigerweise habe ich den Tempel bis jetzt noch nicht gesehen, alles ist wieder irgendwie so seltsam.. Wir müssen unsere Schuhe ausziehen und vor dem Stand auf der Straße stehen lassen.. Wir sollen nun in Socken über die dreckigste Straße des Universums zum Tempel gehen... Wir bekommen einen Führer zugeteilt. Dieser drückt sowohl Marko als auch mir ein Art kleinen Plastikgeschenkkorb in die Hand. Darin befinden sich Zweige und ich denke es war so etwas wie Süßwaren. Dies war offenbar als Geschenk für die Hindi-Gottheit gedacht. Im Tempel mussten wir es am Altar überreichen... Oder so irgendwie halt... Bis heute ist mir das nicht so ganz klar.. Wir gehen also in Socken und bekleidet mit Levis Jeans (ja ja, das ist natürlich total unauffällig...) über die schmutzige Straße – zu dem Eingang des Tempels. Ich frage Marco ob er das in dieser Form schon mal erlebt hatte, bloß mit den Socken über die Straße zum Tempel zu gehen. „Nein, in dieser Form kenne ich das nicht“, antwortet er. Na toll... Der Tempel lag dann doch näher als ich befürchtete, nach 2 Minuten waren wir da. Taschenkontrolle. Man wird durchleuchtet. Am Eingang wollen sie meine Digicam. Die durfte ich nicht mit hinein nehmen... Mir wird mulmig. Ein junger Mann taucht auf und fragt nach meiner Cam. Er streckt die Hand aus. Ich blicke einem beim Eingang postierten Polizisten an. Dieser nickt mir wohlwollend zu. Also gebe ich dem jungen Mann meine Kamera. Der gibt sie dann wiederum einem anderen jungen Mann weiter... Na toll... Die hatten also meine Schuhe und die Kamera. Jetzt waren wir grandios erpressbar.. Aber man versucht ja positiv zu bleiben. Also treten wir durch die Kontrolle des Tempels und gelangen schließlich ins Innere. Monotone rhytmische Gesänge unterstützt von großen Trommeln. Etwa 200 bis 300 Leute sind Großteils in Trance verfallen und singen immer ein und das selbe. Ihr Blick ist Richtung eines Altars gerichtet vor dem ein halbnackter in einem rosa Tuch gehüllter junger Mann – permanent mit dem Rücken zu uns gewandt steht. Ich glaube er hält so etwas wie Räucherstäbchen. Alles sehr strange, aber doch auch sehr interessant. Ein kleiner Junge steht vor mir und blickt unentwegt zu mir hinauf. Er hat wahrscheinlich in seinem ganzen Leben noch keinen Europäer gesehen. Wir standen also nun da mit unseren lustigen, unidentifizierbaren „Geschenken“ und offenbar war das oberste Ziel, irgendwann mal am Höhepunkt der Zeremonie bis nach vor zu dem Altar zu gelangen... Natürlich hatten wir ständig die „5 Minuten Zeit“ im Hinterkopf und wir hatten außerdem nur noch 400 Rubien bei uns. Sollte der Taxifahrer also Strafe zahlen müssen, würden wir die gar nicht bezahlen können. Und: Unser Gepäck war im Kofferraum des Wagens! Ausserdem hatten die ja unsere Schuhe und meine Kamera und dazu mussten wir ja auch erst wieder kommen. Da wir aufgrund der nicht enden wollenden Musik und der allgemeinen Stimmung nicht annehmen konnten, dass diese Zeremonie in den nächsten 2 Minuten vorbei sein würde, zogen wir es schließlich vor – mit unseren göttlichen Geschenken – den Tempel wieder zu verlassen. Ehrlich gesagt hoffte ich zu diesem Zeitpunkt, dass dies nicht als Akt der Blasphemie verstanden werden würde... Wir gingen also wieder zu jenem Stand, an dem wir unsere Schuhe ausgezogen hatten, zuvor erfuhr ich von dem jungen Mann beim Ausgang, dass ich dort auch meine Kamera wieder erhalten würde. Und ich hoffte sehr das dies so war. Nicht wegen der Kamera selbst, die wäre mir egal gewesen. Aber die über 300 Fotos darauf waren unersetzbar. Hinterher war ich froh, all die Sachen wieder ganz schnell zurückgefordert und auch bekommen zu haben. Denn plötzlich wollten die Typen Geld von uns. Und zwar 2000 Rubien! Abzocke wieder mal. In keiner Moschee oder Kirche der Welt in der ich bislang war, musste Eintritt bezahlt werden. Und schnell war klar, das dieser Stand offenbar auch nicht wirklich direkt mit diesem Tempel zu tun hatte, sondern wieder mal eine dieser klassischen Touristenabzocken darstellt. Wir amüsieren uns über den verlangten Preis und entfernen uns Richtung zu unserem wartenden Taxifahrer - ohne auch nur irgendetwas zu bezahlen. Der Mann vom Stand kommt hinter uns her, will uns unbedingt irgendwelche Souvenirs aufzwingen, die er uns in zwei Plastiktüten überreichen will. „My flowers, my flowers!“ sagt er ständig. Keine Ahnung ob wirklich „Flowers“ darin waren, wir wollten eigentlich weiterfahren. Dann kam ein zweiter Typ dazu. Man muss dazu sagen, dass die alle sehr schlecht, bis gar kein Englisch sprachen und wir erst lang und breit erklären mussten, dass wir eigentlich gar kein Geld hatten und auch von niemanden darauf aufmerksam gemacht wurden, dass wir hier etwas bezahlen sollten. Das stimmte zwar so nicht ganz, doch ich vermutete stark das ich meine verbliebenen 400 Rubien noch woanders benötigen würde... Marko lies sich tatsächlich auf Diskussionen mit den beiden Typen ein, ich hingegen tendierte eher dazu, denen schlichtweg die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Während die drei herumstritten, klopfte an meinem Fenster ein abgemagertes Mädchen an die Scheibe und wollte Geld für essen. Die Situation war etwas verfahren... Die zwei Typen schimpften in einer Mischung aus Hindi und englischen Wortfetzen irgendwas herum. Ich hab nicht genau verstanden was, aber ich konnte bestimmte aufgeregt klingende Wortfetzen wie beispielsweise „Prison! Prison!“ entnehmen. Na toll. Ich sehe schon die Schlagzeilen: Zwei Regisseure des 40sten internationalen Filmfestivals von Indien wegen Blasphemie und Zechprellerei (sofern man das so nennen kann) zu Gefängnisstrafe verurteilt. Ich beende schließlich die Diskussion mit Nachdruck und dem zuknallen der Türe und gebe unserem Fahrer ein klares „Go!“. Die Typen die Geld von uns wollten, ziehen wieder ab. Noch keine 30 Minuten unterwegs, aber schon Stress pur. Später sollte ich übrigens erfahren, dass es tatsächlich unüblich ist für das Betreten eines Tempels Geld zu verlangen. Noch dazu 2000 Rubien.. Weiter geht’s. Auf einer dicht befahrenen, dreispurigen Straße, sind Marko und ich ins Gespräch vertieft, als es plötzlich „KAWUMM“ macht. Unser Wagen schlittert. Der Fahrer flucht, bremst ruckartig ab. Ein daneben fahrendes Auto reißt obendrein unseren Seitenspiegel ab. Er fährt einfach weiter. Wir blockieren eineinhalb Fahrspuren. Zuerst denken wir an einen Unfall. Dann wird klar. Die Vorderachse unseres Wagens ist gebrochen. Unglaublich... Wir sind mitten in Mumbai, kein Mensch versteht uns und in knapp 4 einhalb Stunden geht unser Flug – wobei man allerdings mindestens 2 Stunden zuvor am Flughafen sein sollte um sämtliche Prozeduren rechtzeitig zu erledigen... Was würde wohl noch alles passieren?


Wir sitzen am Strassenrand und warten auf unser Ersatztaxi Ach ja: Erinnern Sie sich an die Geschichte mit "Mr.Trick-Magican", im Taxi? Ungefähr dieses Gesicht bekam er zu sehen, bevor er mir meine 500 Rubien wieder aushändigte...
Unser Fahrer "leitet den Verkehr um..." Die Karre blockiert eineinhalb Fahrspuren.

Kaputt...
Bombay stresst mich...

Unser Fahrer lässt uns über sein Taxiunternehmen schließlich ein neues Taxi, inklusive neuem Fahrer, kommen. Da wir keine Lust auf weitere unangenehme Überraschungen hatten, machten wir diesem klipp und klar, dass wir bereits die gesamten 1700.- Rubien für unsere Rundfahrt bezahlt hatten. „No Money! No money!“ meint der beruhigend. Na gut. Wir glauben das mal so und verfrachten also unser Gepäck in das nun mehr dritte Taxi des Tages.. Und weiter geht die lustige Reise...